Wie es dazu kam, dass ich in einem Löwengehege E-Gitarre vor Publikum spielte

Wenn man als Musiker (wie ich viele Jahre lang) regelmäßig live auftrat, kann man sicherlich auf die eine oder andere Besonderheit, den einen besonders denkwürdigen Auftrittsort zurückblicken.  Von allen ungewöhnlichen Auftrittsorten war mein "Verrücktester" vermutlich ein Auftritt im Freiluft-Löwengehege des Berliner Zoos. :-)

 

Es muss um das Jahr 1996 herum gewesen sein. Zu der Zeit gehörte ich zu einem Stamm von in Berlin lebenden Profi-Musikern, die immer wieder als Besetzung zu Shows des Berliner Varietés "Chamäleon" gebucht wurden. Neben den regulären Abend-Shows erhielten wir auch immer wieder mal Anfragen zu den Mitternacht-Shows sowie internen oder auch externen Galas. Wir Musiker begleiteten damals die oft spektakuären Einlagen von Artisten und mussten blitzschnell reagieren, wenn mal etwas schief ging.

 

Und so kam es, dass eines Tages eine Anfrage an mich herangetragen wurde, ob ich Lust hätte mit anderen Musikern (die ich bereits alle kannte) zu einem besonderen Anlass im Berliner Zoo aufzutreten. Ein kleiner Auftritt - so nebenbei - dachten wir. Das Musik-Programm könnten wir abgestimmt auf den Themen Abend mehr oder weniger frei auswählen. Natürlich sagte ich sofort zu, nichts ahnend was da wohl noch auf uns zukommen würde.

 

Ich kannte also den Termin und den Auftrittsort und meine Mitmusiker für den Abend, zu dem wir das Musikprogramm noch unter uns abstimmen sollten und wusste dass wieder Jongleure etc. mit das Programm gestalten sollten. Zur Vorbereitung für den Gig tauschten wir sogenannte "Leadsheets" untereinander aus, Notenblätter mit den wesentlichen Song-Infos & Harmonien, Ablauf etc., um die ebenfalls gebuchte Sängerin Rebecca Steinberg zu begleiten, aber auch um einige Instrumental-Songs zu spielen. Bisher dachten wir an kein größeres Event. Meine Mitmusiker der Band - neben meiner Wenigkeit (Jörg Sieghart) an der Gitarre - waren nach meiner Erinnerung die Keyboarder Hein Schneider & Lito Tabora, der Bassist Horst Nonnenmacher und der Schlagzeuger Michael Clifton (der inzwischen leider verstorben ist).

 

Irgendwann erfuhren wir vom Chamäleon Management über die das Organisatorische lief, dass wir im Löwengehege auftreten würden und dass das Motto eine "arabische Nacht" (die 1. arabische Nacht im Zoo!) lauten würde... das war aber noch längst nicht alles!

 

Da ich als Musiker immer wieder mit reichlich Equipment (Gitarrenverstärker etc.) im Auto durch die Stadt unterwegs war, hatte ich meist das Radio an wegen Verkehrsdurchsagen. (Es gab noch lange keine Navis zu der Zeit etc.) Ab einen bestimmten Zeitpunkt hörte ich immer mehr Werbespots für die Veranstaltung auf der wir spielen sollten und zwar auf diversen Radiosendern. So langsam dämmerte mir, dass das kein "kleiner Gig" vor ein paar hundert Zuschauern werden würde. Daher trommelte ich die Band zusammen, um wenigsten noch eine ordentliche Probe abzuhalten und nicht einfach nur eine schnelle Durchlaufprobe vor dem Auftritt.

streng beißender Geruch im Löwengehege

Als wir zum Berliner Zoo kamen und man uns Musiker zum Aufbau und Sound Check in das Löwen Feiluftgehege führte, verschlug es uns buchstäblich erstmal den Atem. So streng und beissend war die Luft im Gehege, ganz anders als wenn man ein paar Meter weiter draußen hinter dem Wasserteich steht, der die Besucher von den Raubtieren trennt. Der Geruch war so penetrant, dass man glauben konnte, da steht jeden Moment einer der Löwen hinter einem und die haben vergessen das Absperrgitter zu schließen. Daran musste wir uns erstmal gewöhnen. Ansonsten hatten wir einen wunderschönen Vorplatz im Freien, der eine erstklassige "Bühne" bot für unseren bevorstehenden Auftritt, besagten Wasserteich und dahinter die Absperrgitter, hinter denen sich abends das zahlreiche Publikum versammeln sollte.

und plötzlich waren da tausende Menschen

Wir bauten auf, absolvierten unseren Sounc Check und wurden anschließend in den Backstage Bereich der Künstler geführt, wofür man uns einen separaten Raum in einem der unzähligen Gebäude im Berliner Zoo anbot. Bis hierher verlief alles nach Plan!

 

Wie erhielten Getränke und ein kleines Buffet zur Stärkung. Doch als es losgehen sollte mit unserer Show-Einlage, trauten wir unseren eigenen Augen nicht: Plötzlich waren da wahre Menschenmassen - so dicht gedrängt, dass man sich kaum noch einen Meter vorwärts bewegen konnte. Nicht zuletzt dank der intensiven Radio-Promotion hatten die Veranstalter wohl mit ein paar tausend Besuchern gerechnet. Was sich hier versammelte, sprengte jedoch jeden Erwartungs- und Organisationsrahmen. 

 

Mit anderen Worten: Es herrschte ein ziemliches Chaos, die Durchgangswege waren verstopft, Mütter schoben ihre schreienden Kinder in Kinderwägen herum und an den entscheidenden Stellen gab es viel zu wenige Ordner, um die Besucher davon abzuhalten in die eigentlich streng getrennten Bühnenbereiche hereinzukommen. Wir mussten uns buchstäblich einen Weg durch das dichte Gedränge bahnen zurück zum Löwengehege und brauchten dafür eine gefühlte Ewigkeit. Dort angekommen, mussten wir feststellen, dass sich Besucher dort hineinverirrt hatten, die uns nun den Weg versperrten. Diese mussten wir erstmal wieder herausbitten, damit wir uns überhaupt richtig aufstellen konnten und überhaupt hatten Zuschauer auf der "Bühne" (sprich im Löwengehege) nichts zu suchen, was einigen denen aber nicht klar war. :-)

 

Zum Glück sind Musiker / Künstler Meister im Improvisieren... und so schafften wir es uns auch diesen etwas verworrenen Gegebenheiten anzupassen, die Herausforderungen anzunehmen und mit reichlich Verspätung irgendwann unseren Gig zu starten. Es war spät geworden, aber die Feiluftanlage war bestens beleuchtet, tausende Zuschauer standen uns gegenüber, die Stimmung war extrem gut und so legten wir schließlich los mit "The Lion Sleeps Tonight"!

 

Die Besucher fanden das großartig! Die Resonanz war überwältigend. Vom leicht chaotischen Abendbeginn ausgehend, wandelte sich die Stimmung auf zauberhafte Weise in einen phänomenalen, atmosphärischen Abend. Wir spielten ein paar arabisch angehauchte Musiktitel und etliche Klassiker und das Publikum war begeistert. Für reichlich Abwechslung sorgten die artistischen Einlagen, u.a. von einem meisterhaften Jongleur. Ein gemischter Artisten- und Konzertabend, wie er uns allen noch lange im Gedächtnis hängen bleiben wird. Nach unserem Auftritt konnten wir noch die eine oder andere nicht ganz so spektakuläre Bühne (auf denen Kollegen spielten) besuchen und den Abend entspannt auslaufen lassen. Trotz reichlich Startschwiergkeiten zu Veranstaltungsbeginn war es dennoch eine mehr als gelungene Veranstaltung. Die Zeitungen schrieben von weit über 20.000 Zuschauern die laut Veranstalter gekommen waren. Damit hatte einfach niemand ernsthaft gerechnet.

 

Ein wahrlich unvergessener Auftritt an einem bizarren Ort!     ... zurück zur Hauptseite meines Musiker-Blogs




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